Die Entwicklung der digitalen Medien ist rasant, mittlerweile sind sie nicht mehr wegzudenken aus unserem Leben, dienen sie doch der Kommunikation, ersetzen aber auch Nachschlagewerke, Kalender, Notizbuch, Uhr, Fotoapparat, Fotoalbum, Stadtplan und vieles mehr.
Kinder und Jugendliche wachsen selbstverständlich damit auf, nutzen sie zunehmend früher und verfügen zudem über erstaunliche technische Fertigkeiten. (siehe KIM und JIM-Studie der mpfs)
In der gesellschaftlichen Debatte über den Einsatz digitaler Medien in den öffentlichen Schulen ist man sich einig, dass der Einsatz von Soft- und Hardware verstärkt vorangetrieben werden soll, denn man glaubt, der Zugang zu Wissen gelänge so spielerischer, die Ausbildung könne individualisiert werden und das Lernen würde kooperativer.
Die aktuelle Studie der OECD widerspricht dem und stellt einen Zusammenhang her zwischen Nutzen der digitalen Medien und vorhergegangener Bildung in Elternhaus und Schule. Auch stellt sie fest, dass zu emotionaler Unausgeglichenheit und Verhaltensauffälligkeiten in der Schule neigt, wer viele Stunden täglich online ist. (siehe: Artikel aus dem Weser Kurier vom 16.9.2015)
Es sollte stutzig machen, dass die Computerindustrie den Einsatz digitaler Medien im Unterricht massiv bewirbt, dieser Markt ist ausgesprochen profitabel! Schon früh sollen Nutzer erzogen und langfristig an ein Unternehmen gebunden werden.
Dennoch werden an staatlichen Schulen Computer und Internet zunehmend eingesetzt. Bereits Grundschulklassen sind im Netz. Nach der Anschaffung von Laptops in Klassensätzen sollen die Schülerinnen und Schüler nun mit Tablets oder I-Pads ausgestattet werden.
Wie wollen wir an unserer Schule mit dieser Frage umgehen?
In der Klausurtagung am Ende der Sommerferien stellte sich das Kollegium dem Thema und beriet sich über die Entwicklung eines zeitgemäßen Umganges mit dieser pädagogischen Herausforderung. Dies bildete den Beginn eines weiteren Schulentwicklungsprozesses, der fortgesetzt wird und zu einem Medienkonzept führen soll.
In der Waldorfpädagogik legen wir Wert darauf, dass das individuelle Reifen gemäß den Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Entwicklung stattfinden kann. Außerdem sollen Kinder lebenspraktisch auf die Herausforderungen der Zeit vorbereitet werden. Das bedeutet, dass die verfügbare Technik sinnvoll genutzt werden kann, sie aber nicht zu Abhängigkeiten und Verkümmerung von Kompetenzen führen darf.
Selbstverständlich brauchen Jugendliche heute am Ende ihrer Schulzeit die Fähigkeit, mit digitalen Medien umzugehen.
Unser Anliegen ist es, unsere Schülerinnen und Schüler zur Medienmündigkeit zu erziehen und vor Mediensucht zu bewahren. Damit ist gemeint, Medien aktiv, dosiert, kritisch reflektierend und technisch versiert nutzen zu können, um sie zu beherrschen und nicht umgekehrt, sich von den Medien beherrschen zu lassen.
Für die ersten Schuljahre bis zum 12. Lebensjahr bedeutet dies eine weitgehende Medienabstinenz. In diesem Alter stehen die Entwicklung der Sensomotorischen Integration, also die Verknüpfung vielfältiger Sinnes- und Bewgungserfahrungen miteinander im Vordergrund, die entscheidend sind für die Entwicklung des Gehirns. Eine Reizüberflutung durch vorgegebene Bilder gefährdet ein gesundes Gehirnwachstum.
Die Medien dieser Zeit sind der Leib, die Sprache, die Schrift, das Buch, das Tafelbild, Jahreszeitentische, Materialien, die alle Sinne ansprechen, vom Geruch über die Farben bis zum Tastsinn.
Die Fähigkeit zur Kommunikation ist Grundvoraussetzung für eine aktive Teilnahme an Gemeinschaft. Sie umfasst das Hören, Empfinden und Verstehen des gesprochenen Wortes ebenso wie Mimik und Gestik des Gegenüber, sowie das Finden der rechten Worte für die eigenen Gedanken und Gefühle. Diese Fähigkeiten werden nur in der unmittelbaren Begegnung mit anderen Menschen erworben, das braucht Aufmerksamkeit, Zeit und Geduld. Die Medien dafür sind Gemeinschaftserfahrungen in Musik, Theater, Eurythmie, Handwerk, Gespräch.
Ein weiterer wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Medienmündigkeit ist die Produktionsfähigkeit. Die Erfahrung mit seinen Händen etwas herstellen zu können, einen kreativen Prozess von einer ersten Idee bis zu einem Ergebnis durchzustehen mit seinen beflügelnden aber auch mühsamen Phasen ist unschätzbar und ein bedeutender Teil des Unterrichts.
Der „Verzicht auf elektronische Medien in diesem Alter bedeutet keine Verarmung, sondern einen Gewinn an Weltnähe und Welt(zu)gewandtheit. Es geht nicht um weniger, sondern um mehr Aktivität, nicht um eine Einschränkung, sondern um eine erweiterte, gesättigte Verbindung mit der Welt.“ (Kullak-Ublick, Stuttgart 2014)
Um das 12. Lebensjahr herum beginnen die Kinder, die Welt in Hinblick auf Ursache und Wirkung zu betrachten. Nun wollen sie Zusammenhänge verstehen. Computer und Handy bekommen einen zunehmend größeren Stellenwert. Dies ist der Zeitpunkt, an dem die bewusste Auseinandersetzung mit den digitalen Medien beginnen sollte. Allerdings brauchen sie eine enge Begleitung, da sie noch nicht kritisch reflektieren können, was ihnen in den Bildschirmbildern und in sozialen Netzwerken begegnet, so dass sie schutzlos der Atmosphäre und den Intentionen von Filmen, anderen Nutzern, Spielen und Werbung ausgesetzt sind.
Nach der indirekten Medienpädagogik der ersten Schuljahre folgt in der Mittelstufe die direkte Medienpädagogik. Nun kann damit begonnen werden, die Möglichkeiten der Internetrecherche zu erarbeiten. Zuvor aber müssen ganz konventionelle Formen des Nachschlagens in Büchern, Zeitschriften usw. erlernt worden sein.
Die Einführung in die Computertechnologie sowie eine Auseinandersetzung mit den Gefahren des Internets sollten ab der 9. Klasse Thema werden. Wenn man Steiners Impuls, dass aller Unterricht Kunst sein sollte, ernst nimmt, muss die aktive Gestaltung auch im Umgang mit den digitalen und elektronischen Medien einen Schwerpunkt bilden.
In dem Schulentwicklungsprozess der Formulierung eines medienpädagogischen Konzeptes wird es darauf ankommen, unsere methodisch-didaktischen Vorstellungen konkret zu formulieren und schließlich umzusetzen.
Um eine wirkliche Medienmündigkeit erreichen zu können, kommt es aber darauf an, dass alle, LehrerInnen und Eltern, sich ihrer Verantwortung bewusst sind und gemeinsam tätig werden. Schule allein wird das Ziel nicht erreichen können.